Spur eines Jahrhundertirrtums

Inhalt
<< (4.10) Erste Vorstellungen über die Natur des Lichtes
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4.11 Neue Interpretation einiger ,,Mitführungsversuche"
4.11.1 Zum Versuch von Arago
4.11.2 Das Experiment von Hoek und ein eigenartiger Trick
4.11.3 Der Versuchsapparat von Fizeau schweigt nicht

4.11.1 Zum Versuch von Arago

Der französische Physiker und Astronom Arago (1786-1853) wollte mit diesem Experiment feststellen, ob bewegte Körper bei ihrer Bewegung durch das "ruhende Äthermeer" den Äther "mitführen".

Dabei wurde vorausgesetzt:

Es wurde erwartet:

Richtet man von der Erde ein Fernrohr auf einen Stern, auf den sich die Erde bei ihrem Umlauf um die Sonne gerade zubewegt, so müßte, voraussetzungsgemäß, die Lichtgeschwindigkeit gegenüber dem Fernrohr den Wert c + v haben. Betrachtet man denselben Stern ein halbes Jahr später durch das Fernrohr, dann müßte die Lichtgeschwindigkeit gegenüber dem Fernrohr den Wert c - v haben. Da die Größe der Lichtbrechung in einer optischen Linse von der Lichtgeschwindigkeit abhängt, wäre zu erwarten, daß der Brennpunkt der Linse in beiden Fällen eine andere Lage hat.
 

Versuchsdurchführung und -ergebnis:

Veranschaulichung des Versuchs von Arago
Bild 4.11.1-1: Veranschaulichung des Versuchs von Arago

Es konnte jedoch in diesem Versuch kein Unterschied in der Lage des Brennpunktes beobachtet werden. Aus diesem Ergebnis folgerte Arago, "daß ein bewegter Körper den Ather vollständig mitführt". Man beachte diese verallgemeinerte und vieldeutige Formulierung. Wogegen muß ein Körper "bewegt" werden, damit eine Mitführung stattfindet?

Eine neue Deutung:

Die obigen Voraussetzungen sind nicht unsere. Wir fragen nicht, ob die Erde den Äther mitführt. Wir gehen davon aus, daß sich die Erde im Zentrum eines differentiell rotierenden Wirbels der latenten Materie befindet und von diesem mitgeführt wird, so daß dicht über der Erdoberfläche keine Relativgeschwindigkeit zur latenten Materie zu erwarten ist. Die von dem fernen Stern kommenden Lichtstrahlen werden, wenn sie den Sonnenwirbel und danach den Erdwirbel der latenten Materie durchlaufen, wegen der Rotation des Mediums geringfügig abgelenkt. Wegen der hohen Lichtgeschwindigkeit, im Vergleich zur Winkelgeschwindigkeit der Wirbel, können aber der Sonnenwirbel und der Erdwirbel in guter Näherung als ruhend angesehen werden.

Das im Versuch von Arago mit der Erde verbundene Fernrohr war ringsherum von zu ihm ruhender latenter Materie umgeben. Folglich hatte die Lichtgeschwindigkeit gegenüber dem Fernrohr immer den gleichen Wert c. Man nahm an, es sei v = 30 km/s, aber in diesem Versuch war v = 0 (!), was in unserem Sinne auch erwartungsgemäß bestätigt wurde.

Wir sehen in diesem Versuchsergebnis eine Bestätigung, daß der Wirbel der latenten Materie in seinem Zentrum die Erde vollständig mitführt.

Dazu ein anschaulicher Vergleich: Man stelle sich einen großen See mit einem darin langsam rotierenden Wasserwirbel vor. Ein Schwimmkörper rotiert im Wirbelzentrum mit. Nun bewegt sich aus größerer Entfernung eine Welle auf den Wirbel zu. Die Wellenfront dieser Welle wird, wenn sie den Wirbel durchläuft, geringfügig aus ihrer ursprünglichen Richtung abgelenkt; die Geschwindigkeit, mit der sie am Schwimmkörper eintrifft, wird konstant und unabhängig davon sein, ob sich der Wirbel zusätzlich auf die Welle zu oder von ihr fortbewegt. Man beachte hierzu die "Konstanz der Lichtgeschwindigkeit" in (4.14.2).

Albert Einstein würde mit seinem "Gesetz von der Konstanz der Vakuumlichtgeschwindigkeit" unerklärbar behaupten: Die Lichtgeschwindigkeit, die ein Beobachter (hier das Fernrohr) wahrnimmt, unabhängig davon, ob er sich auf die Lichtquelle zu- oder von ihr fortbewegt, ist immer gleich c. Aber dieses ,,Gesetz" wird sich wohl als das ,,wissenschaftliche" Kuriosum des Jahrhunderts erweisen. Ausführlich dazu in II(1.5).
 

4.11.2 Das Experiment von Hoek und ein eigenartiger Trick

Auch mit diesem Versuch sollte festgestellt werden, ob bewegte Körper bei ihrer Bewegung durch das ,,ruhende Äthermeer" den Äther ,,mitführen".

Vorausgesetzte Annahmen:
Versuchsaufbau, Versuchsdurchführung und Ergebnis:

Versuchsaufbau zum Experiment von Hoek

Das Wasser ruht in der Versuchsanordnung, und laut Voraussetzung wird angenommen, daß es sich mit v 30 km/s durch den "ruhenden" Äther bewegt. Von der Lichtquelle L fällt ein Lichtstrahl auf die um 45° geneigte Glasplatte, an der er geteilt wird. Ein reflektierter Strahl 1 durchläuft die Strecke P - 51 - - S3 - P, der durchgehende Strahl 2 durchläuft denselben Weg in entgegengesetzter Richtung und gelangt in der Optik mit dem ersten zur Interferenz. Die ganze Anordnung kann horizontal in verschiedene Richtungen zur Erdbewegung gedreht werden.

So wurde das Versuchsanliegen sinngemäß interpretiert:
Würde der Äther vom Wasser nicht mitgeführt, dann wäre die Lichtgeschwindigkeit im Wasser relativ zum ruhenden Äther unverändert c1 und für einen in Richtung der Erdbewegung laufenden Lichtstrahl relativ zur Erde c1-v. Würde der Äther vom Wasser vollständig mitgeführt, vergleichbar mit Luft in einem geschlossenen Behälter, wäre die Lichtgeschwindigkeit relativ zum ruhenden Äther c1+v und relativ zur Erde c1.

Da man aber seit Fresnel teilweise Mitführung vermutet und auch durch dieses Experiment nachzuweisen hofft, muß die erwartete Änderung der Lichtgeschwindigkeit, ausgedrückt durch die Mitführungszahl , zwischen 0 und v liegen. Bei =0 fände keine, bei =v vollständige Mitführung statt.

Die Geschwindigkeit des Lichtstrahls 1 in Bewegungsrichtung der Erde relativ zum Äther wird also als c1+ erwartet, relativ zur Erde c1+-v. Für den entgegenlaufenden Strahl 2 wird eine Lichtgeschwindigkeit relativ zum Weltäther von c1- und relativ zur Erde von c1-+v erwartet.

Ist l die Länge des Wasserrohres, so benötigt Strahl 1 zum Durchlaufen des Rohres die Zeit l/(c1+-v), wenn die Erde sich in Richtung von S1 nach S2 bewegt; er benötigt zum Durchlaufen der Luftstrecke zwischen S3 und P die Zeit I/(v+c). Der Strahl 1 braucht also zum Durchlaufen der gleichlangen Wege die Zeit t1 = l/(c1+-v) + I/(c+v).

Der Strahl 2 durchläuft die Luftstrecke in der Zeit I/(c-v) und danach die Wasserstrecke in der Zeit I/(c1-+v). Insgesamt braucht also der Strahl 2 auf den beiden gleichlangen Wegen in Luft und Wasser die Zeit t2 = I/(c-v) + l/(c1-+v). Der erwartete Mitführungseffekt müßte zu einem auswertbaren Laufzeitunterschied der beiden Lichtstrahlen führen.

Das Experiment zeigt aber, daß die Interferenzen sich nicht im geringsten ändern, wenn die Versuchsanordnung in die entgegengesetzte oder in eine beliebige Richtung zur Erdgeschwindigkeit gedreht wird.

Daraus folgt, daß die Lichtstrahlen 1 und 2 unabhängig von der Richtung der Versuchsanordnung zur Erdbahn gleiche Zeiten brauchen, daß also t1=t2, d.h.:

Dieses unerwartete Ergebnis bereitete Verwunderung: An der Exaktheit der in der Gleichung auftretenden Lichtgeschwindigkeiten c und c1 gab es keinen Zweifel, und v war die vorausgesetzte Primärgröße, an der man nicht zweifeln wollte . Folglich kommt auch  = 0 nicht in Frage, weil dadurch, wie man sieht, die Gleichung auch nicht erfüllt wird.

So blieb nur eine Fragestellung: Wie groß muß, bei Anerkennung aller anderen Gleichungsgrößen, die Mitführung  sein, damit der Laufzeitunterschied der beiden Lichtstrahlen gerade Null ist?
Mit geringer Mühe erhält man durch Umstellen:

Dividiert man zielgerichtet durch c(2;1) und vernachlässigt zugleich die Terme 1 und 3, ergibt sich:

Daraus folgt die Fresnel'sche Mitführungsformel:
Dieses "Ergebnis" kann nur als zufällige Übereinstimmung gewertet werden. Im Sinne damaliger Deutungen hätte ja auch eine vollständige Mitführung des Äthers durch die Erde, also v=0, angenommen werden können.

Demnach ist es verwunderlich, wie aus einer vermutbaren vollständigen Mitführung eine Formel zur Berechnung der teilweisen Mifführung abgeleitet werden kann. Die Verwunderung wird vollständig, wenn man diesen Versuch mit dem Versuch von Fizeau vergleicht (4.11.3). Fizeau bestätigt durch konkrete Meßergebnisse, die nicht aus dem "Schweigen" des Versuchsapparates herausgedeutet werden, die Fresnel'sche Mitführungsformel. Aber bei ihm ist v die sehr, sehr viel kleinere Geschwindigkeit einer strömenden Flüssigkeit bezüglich der Versuchsanordnung!! Das ist ein gewaltiger und prinzipieller Unterschied!

Das Experiment von Hoek, das theoretisch die Bedingung v = 30 km/s voraussetzt, ist aber praktisch nicht unter dieser Bedingung durchgeführt worden. Der Erdwirbel der latenten Materie führt die Erde vollständig mit. Und weil das Versuchsobjekt keine Geschwindigkeit v gegenüber der Erdoberfläche und gegenüber der latenten Materie hatte, gab es in diesem Versuch auch keine Mitführung.

In vorstehender Formel (S.65) wurde praktisch mit v = 0 und  = 0 ,,bewiesen", daß
.
Der "eigenartige Trick" bei der Deutung dieses Versuchsergebnisses besteht darin, daß hier mehrdeutige Versuchsbedingungen und -ergebnisse, die gar nicht zueinander gehören, miteinander verknüpft worden sind. Auch dieser Versuch bestätigt unsere Auffassung vom Wirbelprinzip der latenten Materie.

4.11.3 Der Versuchsapparat von Fizeau schweigt nicht

Der französische Physiker Armand Louis Hippolyte Fizeau (1819-1896) hat die Formel zur Fresnel'schen Mitführungs-Hypothese, die ursprünglich mehr spekulativen Charakter hatte, erstmals experimentell bestätigt. Der Aufbau seiner Versuchsanordnung ähnelt der von Hoek (4.11.2), es sind aber beide Lichtwege mit wassergefüllten Röhren versehen.

Der Versuch von Fizeau hat bereits hinsichtlich seiner Voraussetzungen eine einmalige Besonderheit gegenüber allen anderen "Äthernachweis-Versuchen": Durch die Röhren strömt das Wasser, und zwar so, daß der Lichtstrahl 1 in Richtung des strömenden Wassers, der Lichtstrahl 2 gegen das strömende Wasser verläuft.

In Ermangelung konkreter überlieferter Aussagen seien die für diesen Versuch gemachten Vorausannahmen kurz nachempfunden:

Wir formulieren in Anlehnung an (4.11.2):
Würde der Äther vom Wasser nicht mitgeführt, dann wäre die Lichtgeschwindigkeit im strömenden Wasser gegenüber der erdfesten Versuchsanordnung unverändert c1. Würde der Äther vom Wasser vollständig mitgeführt, dann wäre die Lichtgeschwindigkeit im strömenden Wasser gegenüber der erdfesten Versuchsanordnung c1+v bzw. c1-v.

Die Geschwindigkeit des Lichtstrahls 1 bezüglich der Versuchsanordnung in Bewegungsrichtung des Wassers wird also als c1+ erwartet, für den entgegenlaufenden Strahl 2 als c1-.

Ist l die Länge der Wasserstrecke, dann benötigt Strahl 1 zum Durchlaufen dieser Strecke die Zeit t1 = l/(c1+), der Strahl 2 benötigt zum Durchlaufen derselben Strecke die Zeit t2 = l/(c1-). Kurz also: t < t2. Der erwartete Mitführungseffekt müßte zu einem auswertbaren Laufzeitunterschied der beiden Lichtstrahlen führen.

Fizeau prüfte, ob durch das strömende Wasser das Licht "mitgeführt" wird, indem er beobachtete, ob sich die Interferenzen in Abhängigkeit von der Geschwindigkeit des Wassers verschoben. Und es trat ein, was unter diesen Versuchsbedingungen erwartet werden muß:

Der Versuchsapparat antwortete, er zeigte eine deutliche Verschiebung der Interferenzen, einen Laufzeitunterschied der beiden Lichtstrahlen und somit eine Bestätigung der Fresnel'schen Mitführungsformel.

Bei allen anderen "Ätherversuchen" ruht das Versuchsobjekt gegenüber der Erdoberfläche, und man geht davon aus, daß sich Erde und Versuchsobjekt mit v = 30 km/s durch den "ruhenden" Weltäther bewegen. Infolge dieses schwerwiegenden Irrtums, der bereits in den Versuchsvoraussetzungen steckt, schweigen alle anderen Ätherversuche.

Die Auswertung dieser "Versuchsergebnisse" war und ist immer nur eine "Deutung des Schweigens". Das gilt auch für den Michelson-Versuch, der experimentellen Grundlage der Relativitätstheorie, einschließlich seiner verfeinerten Varianten und für den oft zitierten Versuch von Trouton und Noble, die in (5.1 bis 5.6) ausführlich dargestellt sind.

Die Geschwindigkeit, mit der sich die Erde durch das Weltall bewegt, bleibt im Versuch von Fizeau völlig unberücksichtigt. Hier wird festgestellt, welche Bewegung der Versuchskörper gegenüber seiner "hautnahen" Umgebung hat und welche direkte stoffliche Wechselwirkung damit verbunden ist. Siehe auch (4.7).

Der "Faserkreisel" zur Messung kleinster Drehzahlen, siehe in (5.7), ist dem Versuch von Fizeau direkt vergleichbar. Die Rolle des strömenden Wassers übernimmt ein langes Glasfaserkabel, das auf eine Trommel gewickelt ist, die gegenüber dem lichttragenden Medium bewegt wird.


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