Spur eines Jahrhundertirrtums

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<< (4.12) Licht als elektromagnetische Schwingung
>> (4.14) "Verqueres" über Schwingungserzeugung und -ausbreitung

4.13 "Ätherwidersprüche"?

Man gewinnt den Eindruck, daß alle bisherigen Theorien zum physikalischen Weltbild am ,,Äther" und seinen ,,unerklärbaren" Eigenschaften gescheitert sind. Auch an den Beteuerungen zum modernen physikalischen Weltbild ist mitunter peinlich spürbar, daß da etwas sein müßte oder mal gewesen sein sollte, das aber nicht sein kann, weil es nicht sein darf.

Sollte im Laufe der Wissenschaftsgeschichte noch niemand ernsthaft dem Gedanken nachgegangen sein, dem vermuteten stofflichen Medium auch eine aktive Rolle zuzugestehen und die vielen brauchbaren Mosaiksteinchen sinnvoll zu einem unverklemmten Weltbild zusammenzufügen?

,,Der Äther war eine überaus brauchbare Hypothese, mit der sich mühelos alle optischen Erscheinungen klären ließen. Bis in unser Jahrhundert hinein wurde sie von den meisten Physikern rückhaltlos akzeptiert. Andererseits war es aber in keiner Weise möglich, diese geheimnisvolle Substanz irgendwie nachzuweisen. Es entstand die heikle Frage, durch welchen Mechanismus die in den Lichtwellen enthaltene Energie weitergegeben wird, wenn das übertragende Medium selbst fehlt. Ganz offensichtlich haben wir hier ein sehr ernst zu nehmendes Grundproblem der Physik vor uns, das wir nicht aus dem Auge verlieren dürfen. Wenn es den Äther wirklich gäbe und seine Teilchen das Licht in einer ähnlichen Art verbreiten würden wie die Luft die Wellen des Schalls, . .wäre es möglich, das physikalische Weltbild gewaltig zu vereinfachen." <41>

Einstein über die Lorentzsche Elektronentheorie: ,,Trotz aller dieser schönen Erfolge war der Stand der Theorie doch nicht voll befriedigend. Die klassische Mechanik lehrt die Gleichwertigkeit aller Inertialsysteme (bzw. lnertialräume) für die Formulierung der Naturgesetze. Die elektromagnetischen und optischen Experimente lehrten dasselbe mit erheblicher Genauigkeit. Aber das Fundament der elektromagnetischen Theorie lehrte die Bevorzugung eines besonderen lnertialsystems, nämlich das des ruhenden Lichtäthers. Diese Auffassung des theoretischen Fundaments war gar zu unbefriedigend." <20>

,,Ein Einwand gegen die elastische Lichttheorie ist der, daß ein den Weltenraum erfüllender Äther von der großen Steifigkeit, die er als Träger der Lichtschwingungen haben muß, der Bewegung der Himmelskörper, besonders der Planeten, einen Widerstand entgegensetzen müßte. Bei elastischen Festkörpern tritt neben zwei transversalen Wellen immer auch eine longitudinale auf. Diese wirkte seinerzeit störend, man mühte sich, sie wegzudiskutieren." <12>

1907 schrieb der französische Physiker Poincare in ,,Moderne Physik":

,,Dieser Lichtäther müßte natürlich, da er auch im sogenannten leeren Raum vorhanden ist, als unwägbar angesehen werden; man könnte ihn mit einer Flüssigkeit vergleichen, deren Masse vernachlässigt werden darf, weil sie der Bewegung der Gestirne keinen merkbaren Widerstand entgegensetzt, die aber außerordentlich elastisch ist, weil sie das Licht sehr schnell fortbewegt, die ferner alle durchsichtigen Körper durchdringen kann und dabei unverändert elastisch bleibt, sich aber zugleich verdichtet, weil ja die Lichtgeschwindigkeit in den Körpern geringer ist als im leeren Raum." <9>

,,Der Äther, den man sich als ein feines, unwägbares Gas dachte, sollte alle Körper durchdringen, ohne an ihrer Bewegung teilzunehmen. Wenn er eine Ausbreitung des Lichtes in Form von Querwellen ermöglichen sollte, so mußte der Äther zugleich die Eigenschaften eines festelastischen Körpers haben. Bei äußerst geringer Dichte mußte er härter sein als Stahl und Diamant. Außerdem mußte er über eine ideale Durchdringlichkeit verfügen, damit sich die Himmelskörper so reibungslos und verzögerungsfrei durch ihn bewegen konnten, wie sie es offensichtlich taten. Dem Äther mußte eine träge Masse zugeschrieben werden, aber er durfte keine schwere Masse haben." <27>

,,Niemand konnte die Longitudinalwellen im Äther entdecken oder auch beweisen, daß es sie nicht gab. Man mußte daher auf Treu und Glauben hinnehmen, daß solche Wellen im Äther überhaupt existieren. Falls sie existierten, traten sie mit gewöhnlichen Körpern nicht in Wechselwirkung. Man konnte sie deshalb also nicht beobachten. Die große Lichtgeschwindigkeit zwang zu der Annahme, der Äther müsse außerordentlich elastisch sein. Seine Teilchen mußten ja mit sehr hoher Frequenz im Takt mit der Lichtgeschwindigkeit schwingen. Deshalb mußte angenommen werden, der Äther sei fast hunderttausendmal elastischer als Stahl. Der Äther mußte gleichzeitig Körperlosigkeit wie ein Spukgebilde besitzen.
Man konnte ja ungehindert durch ihn hindurchgehen, und auch er mußte alle festen Körper, ja die unterschiedlichsten Stoffe, ohne eine Spur zu hinterlassen, passieren." <49>

Der Absolutheit der folgenden Aussagen und Behauptungen muß man in jedem Punkte widersprechen:
 

  1. ,,Der Äther müßte masselos sein (unwägbar). Im entgegengesetzten Falle würde er, der ja den Weltraum ausfüllen müßte, auch Gravitationswirkungen ausüben, die sich in der Bewegung der Planeten und Monde bemerkbar machen müßte. Solche Wirkungen wurden niemals festgestellt.

  2. Der Äther darf die Bewegungen der Himmelskörper nicht beeinflussen, etwa infolge eines Reibungswiderstandes. Es wären sonst Veränderungen in der Bewegung der kosmischen Objekte die Folge, was aber nicht festgestellt werden konnte.

  3. Der Äther müßte ein fester Körper sein (Widerspruch zu 1.). Die Lichtwellen, die z. B. aus dem Kosmos auf die Erde gelangen, sind transversale Wellen, solche gibt es nur in festen Stoffen." <43>

Zart anklingende Töne über eine mögliche Dynamik des Äthers:


Und das ist unser grundsätzlicher Standpunkt:

Gemäß unseren Ausführungen in (4.6) und (4.7) ist ein Inertialsystem ein Wechselwirkungssystem, das gegenüber der latenten Materie, von der es unmittelbar umgeben ist, ruht oder eine so geringe gleichförmige Geschwindigkeit hat, daß sich der Strömungswiderstand noch nicht bemerkbar macht. Lehren die elektromagnetischen und optischen Experimente die Gleichheit der Inertialsysteme? Woran liegt es, daß sie dafür unter bestimmten Bedingungen den Anschein erwecken? Alle elektromagnetischen und optischen Experimente lehren widerspruchsfrei, daß die Erde ein Inertialsystem im Sinne von (4.6) und (4.7) ist. Sie beweisen, daß es auf der Erdoberfläche keine Relativgeschwindigkeit zwischen der Erde und dem (differential rotierenden) Wirbel der latenten Materie gibt. Das ist, unter Beachtung der konkreten Bedingungen, eine örtlich vollständige Mitführung.

Jede tatsächliche Bewegung eines Körpers gegenüber der latenten Materie, (nicht die irrtümlich angenommene!), ist mit einer teilweisen Mitführung verbunden. Der Doppler-Effekt, sofern er keine Sonderdefinition für das Licht erfährt, bestätigt widerspruchsfrei die Anwesenheit eines lichttragenden Mediums. Man beachte dazu (4.14.3).

Der Äther erscheint deshalb als masselos und unwägbar, weil die Eigenschaft der Körper, die man als Masse bzw. Schwere bezeichnet, aus der Wechselwirkung der Körper mit der latenten Materie entsteht. Diese Art der Wechselwirkung haben die Teile der latenten Materie nicht untereinander. Vergleich: Der Auftrieb eines Körpers in einer Flüssigkeit ist Wechselwirkung zwischen den Flüssigkeitsteilchen und dem betreffenden Körper. Eine solche Art der Wechselwirkung haben die Flüssigkeitsteilchen nicht untereinander. Ein Wassertröpfchen erfährt im Wasser keinen Auftrieb. (!)

Die Bewegung der Himmelskörper wird nicht durch Massenwirkung des ,,Äthers" im Sinne einer Massenanziehungskraft, die er auf die Körper ausüben soll, beeinflußt, sondern durch
die Druck- und Strömungsverhältnisse in den Wirbeln der latenten Materie. Der geringe Reibungswiderstand, den die Himmelskörper bei ihrer Bewegung erfahren, wird dadurch verständlich, daß die latente Materie einer idealen Flüssigkeit vergleichbar ist (4.6) und die Himmelskörper innerhalb des Materiewirbels in der Regel nur eine sehr kleine oder gar keine Relativgeschwindigkeit gegenüber der latenten Materie haben.

Konnten wirklich noch keine Veränderungen in der Bewegung der kosmischen Objekte festgestellt werden? Gibt es sie etwa nicht, die Expansion des Weltalls, die Perihelverschiebungen, die Veränderung der Umlaufzeiten von Planeten sowie recht- und rückläufiger Satelliten?

Vielleicht sucht man die Ursachen für diese Tatsachen nur mit der falschen Brille, am falschen Ort, in falschen Wirkprinzipien und in der unzutreffenden Formel?

Das Kernproblem konzentriert sich offenbar auf die dem ,,Äther" zuzuschreibenden Ausbreitungseigenschaften der elektromagnetischen Wellen, und hier sind die Aussagen offensichtlich widersprüchlich. Hat nun die elektromagnetische Welle im ,,Äther" eine Longitudinalkomponente, die man gern übersehen und unterschlagen möchte, oder ist man (angeblich) ergebnislos bemüht, eine solche zu entdecken und nachzuweisen?

Die Längskomponente einer elektromagnetischen Schwingung ist längst erwiesene Tatsache. Praktisch kann sie spätestens seit der Entdeckung des Compton-Effekts (Strahlungsdruck) als experimentell gesichert angesehen werden, und theoretisch folgt sie nun, da Poynting den praktischen Sachverhalt mathematisch erfaßte, mit Hilfe des ,,Poynting'schen Vektors" aus den Maxwell'schen Gleichungen.

Das ,,Problem" der elastischen Transversalschwingungen, die angeblich nur in Festkörpern möglich sein sollen, und der daraus gefolgerten Superhärte des Äthers klärt sich auf, wenn man die ,,Elastizität" nicht als Zugkraft zwischen benachbarten Teilchen des Mediums sieht, sondern als Volumenverformbarkeit eines idealen Mediums und den Teilchen eine kreisende Bewegung zugesteht (siehe 4.14.1).

Vielleicht sollte man in diesem Zusammenhang das Wort ,,Elastizität" ganz vermeiden, denn es suggeriert den Gedanken, daß ein schwingendes Teilchen an seinen Ausgangsort zurückgezogen wird. Das ist aber weder in schwingenden Gasen noch in schwingenden Flüssigkeiten der Fall. In diesem Sinne folgen wir einem Grundgedanken aus Mac Cullagh's Äthertheone: Elastischer Widerstand des Äthers gegen die Rotation seiner Volumenelemente.

Auch den Hinweis Max Borns auf die ,,fürchterliche Maschinerie" sollten wir nicht mit einem Lächeln abtun, sondern voll unterstützen und in den Mittelpunkt unserer Aufmerksamkeit rücken. Zahllose Erscheinungen, experimentelle Tatsachen und technische Anwendungen zeugen davon, daß jedes Atom, auch der Atomkern und alles, was da ist, aus vielfältigen Wirbelanordnungen und Wirbelkombinationen besteht. Alles rotiert um sich selbst und umeinander!

So liegt der Gedanke nahe, daß sich im Sinne des Stokes'schen Satzes (4.12.1) Einzelwirbel zu flächenhaften oder auch räumlichen Wirbelgebilden zusammenschließen. Es ist denkbar, daß sich in den Lücken zwischen größeren Wirbeln auch Klein- oder Kleinstwirbel ausbilden, von denen bekannt ist, daß sie nicht selbständig existieren können. Die kurzlebigen Elementarteilchen leben bei Zertrümmerung ihres Großwirbels als selbständige Miniwirbel nur Bruchteile von Sekunden.

Der feste Zusammenhalt einer Wirbelkombination, von den Galaxien bis zum Atom, liegt anscheinend darin begründet, daß einzelne Wirbel ihren Rotationsfluß zu einem sie umgebenden Gesamtfluß vereinigen. Es ist zu vermuten, daß damit auch das Wesen der Kernkräfte erklärbar ist.

Sind wir uns immer bewußt, daß uns die Funk- und Fernsehwellen, als ,,Wellensalat im Äther", täglich umschwirren und daß die elektromagnetischen Vorgänge durch die ,,doppelte Wirbelverkopplung" zwischen dem elektrischen und dem magnetischen Feld miteinander verknüpft sind?

So müssen wir wohl oder übel eingestehen: Wir befinden uns inmitten einer ,,fürchterlichen Maschinerie von unsichtbaren Zahnrädern, Kreiseln und Getrieben, die in der verwickeltsten Weise ineinandergreifen", und auch wir selbst stellen hinsichtlich Körperbau und Lebensfunktionen eine solche ,,Maschinerie" dar.

Doch man muß ja nicht in jedem Falle in alle Details dieser ,,Maschinerie" eindringen, man kann sich auch mit ihren äußeren Erscheinungen, mit einer nützlichen Modellvorstellung, begnügen. Man möchte dabei nur beachten, daß durch die vereinfachte Vorstellung, die man sich von einem verwickelten Vorgang macht, die Innerei nicht überflüssig wird.

Was kümmert den lmker die Psyche einer einzelnen Biene, wenn er es nur auf den Honig abgesehen hat? Bestimmt läßt sich statistisch ermitteln, wie viele Bienen an welchen Tagen welche Blüten besuchen und wieviel Honig sie heimbringen und welche Art Blütenfelder für den Erfolg benötigt werden. Garantiert befindet sich auch jede einzelne Biene zu einer ganz bestimmten Zeit an einem ganz bestimmten Ort.

Aber muß man unbedingt wissen, welche Biene sich wann an welchem Ort befindet und was sie psychisch zu ihrem Tun bewegt?

Das ist übrigens ein kleines bißchen Quantenmechanik. Doch die Quantenmechanik behauptet in moderner Denk- und Redensart von sich und über die ,,Bienchen": Unterhalb des ,,Netzes" der statistisch erfaßten äußeren Erscheinungen ist nichts erklärbar, dort gibt es keine Ursache-Wirkungs-Beziehung mehr. Wozu braucht der Imker eigentlich noch die Bienen, wenn er den Honig aus einer Formel berechnen kann?

Ob wir dieses oder jenes tun bzw. wissen wollen oder müssen, hängt immer davon ab, ob wir unsere Welt erkennen oder sie auf einfache Art beschreiben oder sie auf ökonomischste Weise ausnutzen wollen.

Die scheinbaren ,,Ätherwidersprüche" löst man nicht, indem man das verzwickte Forschungsobjekt aus der Welt schafft. Diese ,,Widersprüche" sind lösbar! Die latente Materie hat diese ,,Widersprüche" nicht.


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